Auf Nimmerwiedersehen… Ghosting – der abrupte Kontaktabbruch

Geschützte Gruppen

Ghosting – ein plötzlicher, abrupter, radikaler Kontaktabbruch.

Wenn ein Mensch, vor allem ein nahe stehender, plötzlich aus deinem Leben verschwindet, heißt das Ghosting. Es kommt zu einem unerwarteten Kontaktabbruch.

Das ist die schlimmste Form von emotionaler Grausamkeit , die mit ignorieren, nicht reagieren, schweigen, blockieren usw. einhergeht und eine höchste Form der Entwertung und vor allem Ohnmacht, ein Gefühl der Handlungsunfähigkeit und Unwirksamkeit eines Betroffenen bedeutet. Daraus können schwere Krisen resultieren, Selbstwerteinbrüche, Ausgeliefert sein in Handlungsunfähigkeit, was per se ein Trauma definiert.

Das menschliche Gehirn wird an derselben Stelle aktiviert, wie bei einer physischen Verletzung.

Für das Schmerzzentrum im Gehirn macht es keinen Unterschied. Seelische Grausamkeit hat auch körperliche Auswirkungen.

Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Teil einer Gemeinschaft zu sein. 

Man weiß auch, dass Menschen mit intakten sozialen Bindungen nach Traumata kaum bis keine Posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Umgekehrt gilt, unter nichts leidet der Mensch mehr, also unter zwischenmenschlicher Grausamkeit, Defiziten und Konflikten.

Konflikte auf eine derartig brutale Weise vermeiden wollen ist hoch dysfunktional und eigentlich eine Konfliktverschiebung zu einem unbeteiligten ‘Opfer’.

Ghosting, auch Kündigungen und das Versetzt werden bei vereinbarten Terminen oder soziale Isolation bezeichnen Neurowissenschaftler als soziale Schmerzen .

Um nicht in die Opfer-Täter-Spirale zu gelangen heißt es, man sollte sich ein dickes Fell zulegen und die Dinge nicht persönlich nehmen. Das ändert am ausgelösten Schmerz nur nicht mehr viel. Das unsägliche Spiel aus falsch verstandenem Selbstschutz, Konfliktvermeidung, Angst bzw. Feigheit, Scham, eigentlich der Unfähigkeit mit eigenem Schmerz und Leid konstruktiv umzugehen, wird Ghosting als bequemer Ausweg praktiziert und scheint sich seit den ‘social’ media (per 1 Klick disconnected) seuchenhaft auszubreiten.

Als eine Vorstufe, um gar nicht in mögliche Konfliktsituation zu geraten, scheinen Unverbindlichkeiten oder Triangulieren raffiniert – dann kann einem auch keiner einen Vorwurf mehr machen und ist ggfls. selbst schuld, falschen Erwartungen aufgesessen zu sein. Kurzfristig mag das sich selbst etwas Vorgaukeln ja sogar funktionieren, dauerhaft leider gar nicht und es kommt zu immer heftigeren Einbrüchen.

Das wahre Übel ist eigentlich eine ausgeprägte Verantwortungslosigkeit – oft unbewusst übernommen von einem verdeckten Narz(!) bei Menschen, die sich eher zuviel Verantwortung aufbürden (lassen).

Nicht selten streben Ghoster offensiv nach ‘Freiheit’ und erküren diese zu ihrem höchsten Wert. Ein Ghoster sitzt nur leider selbst einem Irrtum auf, da er seine wahre Abhängigkeit so weit verdrängt hat, dass schon längst eine Art Umpolung stattgefunden hat. Es wird das Heilvolle gemieden und und die Abhängigkeit vom Toxischen, Substanz oder toxic Bonding verstärkt, letztlich das Elend geschürt.

Erlebt wird dann immer wieder, je mehr die eigene Freiheit (an den falschen Stellen) angestrebt wird, umso mehr schnürt sich der unsichtbare Strick (der toxischen Bindung / Sucht / Abhängigkeit) um die Kehle zu.

Eine Lösung wäre, ehrlich und mutig hinzuschauen, tiefer zu blicken, was tatsächlich gemieden wird und was eigentlich wirklich gemieden werden sollte.

Des Ghoster’s ‘Freiheit’ wird ihn niemals frei fühlen lassen, da es keine Freiheit ohne Verantwortung gibt und nichts scheut ein Ghoster mehr als Verantwortung.

Häufig sind hinter einer pathologischen, und das ist etwas, das derart zerstörerische Auswirkungen erzeugt, Verantwortungslosigkeit, tief verborgene (jedenfalls vor anderen) unerträgliche Schuldgefühle zu finden, meist ihrerseits im Kreislauf der Schuldzuweisung einst übernommen.

Unter einer solchen Last bestehen zu können, muss aber nicht in Verweigerung von Verantwortung und Ghosting resultieren, sondern bedarf der Klärung und Heilung.

Um nicht im Kreislauf aus Täter-Opfer, Narzisst-Empath, Ghoster-Re-/Traumatisierter etc. weiter mitzuwirken, bedarf es der Aufgeklärtheit. Durchschauen von Strategien, tatsächlichen Bedürfnissen und eine freie, aufrichtige Kommunikation könnten den elenden Kreislauf beenden – nachhaltig.

Teufelskreis

Welche Menschen und Verhaltensweisen sind typisch für Ghosting?

  • Ängstliches Konfliktverhalten, Konfliktvermeider
    Konflikte sind in der Regel unangenehm. Vielfach scheitert es an der Fähigkeit, offen über eine Situation und damit verbundene Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Der schweigende Rückzug scheint für diese Menschen ihre einzige Option. Sie fühlen sich armselig mangels angemessener, konstruktiver Handlungsoptionen und verhalten sich auch so.
  • Narzisstische Persönlichkeitsanteile
    Nur die eigenen Bedürfnisse scheinen relevant. Fehlendes oder mangelndes Einfühlungsvermögen und Interesse können Gründe für das Ghosting, einen meist plötzlichen Rückzug sein, auch als Bestrafung, um wieder Überlegenheit verspüren zu können. Typisch ist die Schuldumkehr / Schuldzuweisung, auch Selbstschutz wird in diesem Zusammenhand als Motiv genannt, falls überhaupt noch etwas entgegnet wird, wenn dann höchstens auf Nachfrage bei unerklärlichem ‘Rückzug’. Aus Sicht des narzisstischen Verhaltens wird ein Rückzug notwendig, Betroffene spüren deutlich eine zumindest passiv-aggressive bis sadistische Komponente. Die narzisstische Wunde dient als Impulsgeber für das Zerstören wollen, nach dem Motto, ‘zerstören, um nicht zerstört zu werden’. In Wahrheit wird allerdings nicht die tatsächliche Wunde, sondern die ursprüngliche Zerstörung geschont und im Loswerden wollen vermehrt.
  • Eigene Unzulänglichkeit und Bindungsangst
    Menschen in emotionalen Überforderungssituationen, die keinen anderen, konstruktiven Ausweg (er)kennen. Das Gefühl nicht gut genug zu sein oder Ansprüchen nicht genügen zu können, ist die häufigste Ursache, wenn sich ein Ghoster zurückzieht. Es sind überwältigende Ängste im Spiel. Traummänner schieben bspw. nicht selten Panik, nur weil sie glauben, nicht das bieten zu können, was sie meinen, gewünscht wird. Daher überreagieren sie maßlos, wenn es um Bedürfnisse geht und empfinden diese als Zumutung. Das Problem ist, dass dies alles nur in ihrer Fantasie stattfindet und somit ungreifbar scheint. Dann bleibt das Aufgeben, um nicht aufgeben zu müssen, verlassen, um nicht verlassen zu werden.
  • Schizoide Persönlichkeit (vgl. Asperger)
    Typisch ist die Aussage ‘ich bin gerne / am liebsten alleine’. Im Kontakt wirken viele Betroffene in sich ruhend, distanziert bis abweisend, hölzern, spröde, sehr nüchtern (außer unter Alkohol, da tauen sie ein wenig auf, oft nur damit, was dann in die Sucht gleiten lassen kann) und insgesamt „etwas merkwürdig“. Sie bevorzugen einzelgängerische Unternehmungen, wirken emotional kalt und distanziert und zeigen nur selten und/oder eingeschränkt Gefühle und auffällig kaum Mitgefühl oder wie einstudiert und auswendig gelernt.

    Die Störung tritt in Familien, in denen ein Mitglied an Schizophrenie erkrankt ist, häufiger auf. Bei Aggressionen, um die Angst vor Nähe mit der Herstellung von Distanz abzuwehren, erscheinen sie Außenstehenden als scharf, verletzend und brüsk. Kontaktpersonen erleben durch ambivalente Signale kognitive Dissonanz und innere Konflikte / Krisen, sie verzweifeln beinah und haben so  ebenfalls das Gefühl der Ohnmacht.

    Typisch ist ein ‘Abstrafen bis hin zu / mit der völligen Verweigerung physischer Nähe / Präsenz’. Auch typisch ist eine schroffe Ambivalenz zwischen Liebes- und Hass-Gefühlen, tiefe Zweifel am Geliebt-werden-können, es werden Bewährungsproben und Liebesbeweise provoziert. Neigung zum seelischen Sadismus und zur Destruktivität: Zuwendung wird entwertet, bagatellisiert, analysiert, angezweifelt oder umgedeutet, Meisterschaft von Zynismus, Verletzung, Abwertung und Treffen empfindlichster Stellen anderer insbesondere Zugewandter.
    (Literatur-Empfehlung: Fritz Riemann, Grundformen der Angst, Reinhardt Verlag)

Diese Auszüge sollen Impulse geben, Mischformen und unterschiedliche Intensitäten natürlich nicht zu vergessen. Es geht um Psychoeducation und soziale Beziehungen, keine medizinischen Diagnosen oder Therapien an dieser Stelle.

win-lose

Mit Ghosting mag jemand sich vielleicht möglichst schadlos aus einer Affäre ziehen, der Schaden ist nur meist genauso unsichtbar wie der wahre Grund für dieses Verhaltensmuster.

Einen wahren Grund aufzuspüren, wieder Licht ins Dunkel bringen, unterbricht diesen destruktiven Teufelskreis ein für alle mal. Und es ist für alle Beteiligten erheblich schmerzfreier! (als befürchtet).

Was kann helfen? Auswege und funktionale Optionen/Umgangsformen kennenlernen, Wahlmöglichkeiten zu entdecken, negative Fantasien konstruktiv umschreiben zu können, das eigene Kopfkino kreativ nutzen lernen, Zuneigung und Bindung nicht nur als Last, Fessel und Gefahr zu erleben, sondern auch als Gehaltenwerden, Ankommen, Angenommen fühlen, Heimat und als Entwicklung und Erweiterung einer Ich-Begrenzung und des eigenen Horizonts.

Was braucht es? – eigentlich nur die Neugier, endlich wirklich etwas Neues dazu zu lernen und zu erleben. Die üblichen Muster mögen gewohnt sein, ähnlich wie Süchte, sie zu überwinden macht letztlich tatsächlich frei.

Gefühle meiden wollen kostet irrsinnig Energie, statt einmal fühlen und sie (er)lösen und lösen sich im wahrsten Sinne des Worte in Wohlgefallen auf. Darüber sind die meisten bei den ersten Malen einer solchen Erfahrung völlig verblüfft. Mit der Zeit kann sich auch an Funktionales gewöhnt werden und es wird selbstverständlich.

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